Rudolf Kahlfeld: Erneute Replik (Bewertungskriterien für Sachakten)
Ich kann mich mit den Gedanken des Kollegen Koppetsch nicht anfreunden. Ein Gesetz ist ein Gesetz; es einmal ganz, einmal ein wenig und einmal lieber nicht anzuwenden kann nicht der Königsweg sein. Wäre es nicht besser, unter Berufung auf die Pflichtaufgabe mehr Geld zu fordern? Wäre es nicht besser, unter Berufung auf die Pflichtaufgabe Druck zu machen, dass Massenrestaurierung und -konservierung billiger wird. Wäre es nicht besser, unter Berufung auf die Pflichtaufgabe die Registraturbildner zur Verwendung vernünftigen Papiers und zur Einhaltung von Minimalstandards bei der Lagerung zu verpflichten?
Ich kann es nach wie vor nicht akzeptieren, dass die Form über den Inhalt gestellt werden soll. Ich kann es nach wie vor nicht akzeptieren, dass es Archivgut 1. und 2. Klasse geben soll.
Ich kann mir keine abgestufte Archivwürdigkeit vorstellen, oder soll ein Kategorie "Z" für "zweifelhaft" oder "F" für befristet archivwürdig eingeführt werden? Soll das Material bei Benutzungen dann mit dem Kommentar vorgelegt werden: "Werten Sie es aus, aber zitieren Sie es nicht, denn meine Nachfolger werden es in 25 Jahren kassieren"?
Die Kahnakten sind heute legendär; waren sie es zeitnah zur Übernahme ins Archiv auch schon? Hätte es also zeitnah zur Übernahme ins Archiv einen Unfall gegeben und wäre der Kassationsgrund "Restaurierung zu teuer" State of the Art gewesen, gäbe es keine Kahnakten.
Was spricht dagegen, archivwürdiges Material, das zur Zeit wegen Geldmangel nicht restauriert werden kann im Magazin liegen zu lassen (außer dass es Platz wegnimmt)?
Für ein Beispiel für "die fachlich fundierte Einbindung von Kosten-Nutzen-Erwägungen in das Bewertungsgeschäft" wäre ich dankbar.